Jack Nasher über die Verhandlungsführung in der digitalen Welt: Virtuelle Meetings erfolgreich nutzen

Die Corona-Pandemie hat viele Veränderungen in der Arbeitswelt beschleunigt, darunter die zunehmende Nutzung digitaler Plattformen für geschäftliche Verhandlungen. Man könnte auch sagen: Durch die Corona-Pandemie sind wir digitaler geworden. Tools wie Zoom, Microsoft Teams oder vergleichbare Anwendungen sind heute für niemanden mehr Fremdwörter, sondern fester Bestandteil der Verhandlungsführung, insbesondere im Einkauf. Sie bieten erhebliche Vorteile wie reduzierte Reisezeiten und Kosten, doch gleichzeitig werfen sie auch Fragen nach ihren langfristigen Potenzialen auf. Jack Nasher, Professor und Buchautor, der als Experte für Verhandlungstechniken gilt, hebt zum Beispiel immer wieder hervor, dass Vertrauen ein entscheidender Faktor in jeder Verhandlung ist. Dabei spielt es eine Rolle, wie gut man die Perspektiven und Ziele der Gegenseite versteht und kommuniziert. Doch kann dieses Vertrauen in digitalen Meetings genauso aufgebaut werden wie in persönlichen Treffen?

Jack Nasher über die Vor- und Nachteile digitaler Verhandlungen

Digitale Verhandlungen reduzieren Transaktionskosten erheblich – ein Begriff, der die Aufwendungen für die Anbahnung, Durchführung und Abwicklung einer geschäftlichen Transaktion umfasst. Vorteile wie die Eliminierung von Reisezeiten, die schnelle Kontaktaufnahme und die flexible Nutzung von Wartezeiten stehen jedoch Nachteilen gegenüber. So sind nonverbale Signale wie Mimik, Gestik und Stimmungen schwieriger zu interpretieren. Diese spielen eine wesentliche Rolle bei der Vertrauensbildung und der Einschätzung der Gegenseite. Eine gängige Praxis besteht darin, Videokonferenzen vor allem für Folgeverhandlungen einzusetzen, während Erstkontakte weiterhin persönlich erfolgen. Denn gerade in der Anfangsphase einer Geschäftsbeziehung kann der persönliche Austausch ein Schlüsselfaktor für den Erfolg sein.

Jack Nasher betont in seinen Büchern und Vorträgen, dass Verhandlungen nicht nur ein Austausch von Argumenten sind, sondern ein Prozess, bei dem die Beziehung zwischen den Verhandlungspartnern eine entscheidende Rolle spielt. Vertrauen aufzubauen sei besonders schwierig in der digitalen Kommunikation, da viele subtile Signale fehlen, die bei persönlichen Treffen intuitiv wahrgenommen werden können. Dennoch sei es möglich, auch digital ein Vertrauensverhältnis aufzubauen, indem man klar, offen und respektvoll kommuniziert und Empathie zeigt.

Die drei Hauptbereiche der Verhandlungsunterstützung

Verhandlungen lassen sich grundsätzlich in drei zentrale Bereiche unterteilen:

  1. Informationsübermittlung: Der Austausch von Fakten, Angeboten und Gegenangeboten.
  2. Nutzeneinschätzung: Die Bewertung von Konditionen und Angeboten vor dem Hintergrund der eigenen Ziele.
  3. Dokumentenmanagement: Die Erstellung und Verwaltung von Verträgen.

Diese Bereiche bilden die Grundlage jeder Verhandlung, unabhängig davon, ob sie analog oder digital stattfindet. Digitale Tools bieten hier spezifische Unterstützung, indem sie beispielsweise die Informationsübermittlung strukturieren, Analysen von Nutzeneinschätzungen ermöglichen und Dokumentenprozesse automatisieren.

Digitale Tools für synchrone und asynchrone Verhandlungen

Synchrone Verhandlungsunterstützung

Bei synchronen digitalen Verhandlungen wird in Echtzeit kommuniziert, entweder zwischen zwei menschlichen Parteien oder zwischen Mensch und Maschine. Innovative Ansätze, wie sie etwa an der Universität Enschede oder der Hochschule Neu-Ulm entwickelt werden, setzen Avatare oder virtuelle Assistenten ein. Diese Systeme können insbesondere für Schulungszwecke nützlich sein, da sie Verhandlungssituationen simulieren und in einer immersiven virtuellen Realität trainieren lassen.

Jack Nasher erklärt, dass das Verhandlungstraining ein wesentlicher Bestandteil der Vorbereitung ist. Durch das Üben von Szenarien, die spezifisch für die digitale Kommunikation entwickelt wurden, können Verhandlungspartner ihre Fähigkeiten verbessern und sich an die Besonderheiten digitaler Plattformen anpassen. Dabei seien klare Kommunikation, präzise Sprache und die Fähigkeit, auch ohne visuelle Hinweise effektiv zu argumentieren, besonders wichtig.

Asynchrone Verhandlungsunterstützung

Asynchrone Verhandlungstools, wie das an der Universität Hohenheim entwickelte System „Negoisst“, bieten dagegen eine strukturierte Plattform für den Austausch von Informationen und Dokumenten über längere Zeiträume hinweg. Diese Tools unterstützen den Verhandlungsprozess, indem sie Kommunikationsdaten analysieren und visualisieren sowie Vertragsentwürfe automatisch generieren. Ein Vorteil solcher Plattformen besteht darin, dass sie den Verhandlungsprozess dokumentieren und so eine Rückverfolgbarkeit ermöglichen. Das kann insbesondere in komplexen Verhandlungen mit vielen Beteiligten von Vorteil sein.

Jack Nasher: Kann die Digitalisierung die menschliche Komponente ersetzen?

Trotz der Vorteile digitaler Tools gibt es auch einige Herausforderungen. Zum einen erfordert die effektive Nutzung solcher Systeme eine intensive Schulung der Anwender. Zum anderen bleibt die Vertrauensbildung ein kritischer Punkt. Digitale Verhandlungen können zwar Transaktionskosten senken, aber sie können auch als unpersönlich wahrgenommen werden, was die Zusammenarbeit beeinträchtigen kann.

Digitale Tools haben das Potenzial, Verhandlungen grundlegend zu transformieren. Sie können Prozesse effizienter gestalten und Entscheidungsfindungen erleichtern. Dennoch bleibt die menschliche Komponente unverzichtbar. Jack Nasher betont, dass der Erfolg einer Verhandlung maßgeblich davon abhängt, wie gut man vorbereitet ist und wie überzeugend man seine Interessen darlegen kann. Technologien können dabei unterstützen – sie ersetzen jedoch nicht die Fähigkeit, menschliche Beziehungen zu gestalten.

Die Kombination aus digitalen Werkzeugen und menschlicher Expertise könnte der Schlüssel für zukünftige Verhandlungserfolge sein. Unternehmen, die diesen Ansatz verfolgen, sind besser aufgestellt, um in einer zunehmend digitalisierten Welt erfolgreich zu agieren. Darüber hinaus wird die Fähigkeit, flexibel auf unterschiedliche Kommunikationskanäle und -stile zu reagieren, immer wichtiger, um in einer globalisierten und technologiegetriebenen Wirtschaft erfolgreich zu sein.


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