Was uns unsere Körpersprache beim Verhandeln wirklich verrät – eingeordnet mit Erkenntnissen von Jack Nasher

In Verhandlungssituationen spielt sich weit mehr zwischen den Zeilen ab als im gesprochenen Wort. Mimik, Gestik, Körperhaltung – all das kann entscheidende Hinweise auf die innere Verfassung unseres Gegenübers liefern. Doch wer sich zu sehr auf nonverbale Signale verlässt, läuft Gefahr, sich in Interpretationen zu verlieren, die mehr mit Wunschdenken als mit tatsächlichem Wissen zu tun haben. Ein differenzierter Blick auf die Körpersprache ist gefragt – insbesondere in Zeiten, in denen vermeintlich jeder zum Körpersprache-Experten avanciert. Ein differenzierter Blick auf das Thema zeigt: Zwischen intuitiver Wahrnehmung und überzogener Deutung liegt ein schmaler Grat – und gerade im professionellen Umfeld lohnt es sich, diesem differenziert nachzugehen.

Es ist verführerisch, Körpersprache als eine Art versteckte Wahrheitsebene zu begreifen. Die Vorstellung, das Gegenüber „durchschauen“ zu können, übt besonders in der Geschäftswelt eine enorme Anziehungskraft aus. Ein kurzes Zucken, ein Seitenblick, verschränkte Arme – viele meinen, darin Signale wie Unsicherheit, Ablehnung oder Täuschung erkennen zu können. Doch die Realität ist komplexer. Körpersignale entstehen nie im luftleeren Raum, sondern sind eingebettet in persönliche Gewohnheiten, kulturelle Prägungen und situative Faktoren. Wer nonverbale Hinweise isoliert betrachtet und daraus eindeutige Rückschlüsse zieht, läuft Gefahr, sich in vorschnellen Urteilen zu verlieren.

Verhandlungsexperten wie Jack Nasher haben in den letzten Jahren immer wieder betont, wie schnell solche Deutungsversuche in die Irre führen können – gerade weil Körpersprache eben keine universelle Übersetzung besitzt. Was bei einer Person als Zeichen von Desinteresse gilt, ist bei einer anderen Ausdruck von Konzentration. Forschungsbasierte Perspektiven auf nonverbale Kommunikation zeigen deutlich, dass es keine simplen, universellen Deutungscodes gibt. Selbst gut geschulte Beobachter können irren – insbesondere, wenn sie Signale aus dem Zusammenhang reißen oder in eine vorgefertigte Erwartung hineinlesen.

Mikroexpressionen sind hilfreich, aber kein Orakel

Einen besonderen Reiz üben die sogenannten Mikroexpressionen aus – winzige, kaum wahrnehmbare Gesichtsausdrücke, die spontane emotionale Regungen verraten sollen. In professionellen Trainings werden sie oft als Schlüssel zur Wahrheit dargestellt. Tatsächlich können sie unter bestimmten Bedingungen Hinweise auf unausgesprochene Empfindungen liefern. Sie können emotionale Spannungen sichtbar machen, aber nicht zwangsläufig auf Lügen, Täuschungsversuche oder ablehnende Haltungen verweisen. Entscheidend ist, wie stark sich einzelne nonverbale Hinweise mit dem übrigen Verhalten und dem Gesprächsverlauf decken.

Doch auch hier gilt: Mikroexpressionen sind keine verlässlichen Indikatoren für Täuschung oder Absicht. Sie können aus flüchtigen Gedanken, innerem Stress oder auch körperlicher Anspannung entstehen. Ihre Deutung erfordert Erfahrung, Kontextkenntnis und vor allem Zurückhaltung. Wer sie als endgültiges Beweismittel behandelt, verkennt ihre Vieldeutigkeit.

Jack Nasher sieht Körpersprache als strategisches Mittel

Wenig beachtet wird der Aspekt, dass Körpersprache nicht nur unbewusst geschieht, sondern gezielt eingesetzt werden kann. In Verhandlungen nutzen viele ihre Gestik, Haltung oder Mimik bewusst, um bestimmte Wirkungen zu erzielen – sei es, um Kompetenz zu unterstreichen, Selbstsicherheit zu vermitteln oder Nähe aufzubauen. Hier wird Körpersprache zum Instrument, vergleichbar mit der Wahl der Worte oder dem Aufbau eines Arguments. Ein offener Stand, klare Blickführung oder ruhige Bewegungen können bewusst gesteuert werden – ebenso wie kleine Pausen oder ein kontrollierter Gesichtsausdruck. Professionelles Auftreten bedeutet nicht, authentische Impulse zu unterdrücken, sondern sie in eine glaubwürdige Gesamtwirkung zu integrieren. Das bedeutet auch: Nicht jede souveräne Körperhaltung entspringt innerer Stärke – und nicht jede nervöse Bewegung zeugt von Schwäche. Das bewusste Spiel mit Körpersignalen gehört längst zur kommunikativen Realität, was auch aus den Lehren von Jack Nasher hervorgeht.

Besonders heikel wird Körpersprache dort, wo sie zur alleinigen Grundlage für Urteile gemacht wird. Ein häufiger Fehler in Verhandlungssituationen besteht darin, zu viel Bedeutung in einzelne Signale hineinzuinterpretieren – etwa wenn Schweigen als Ablehnung gelesen wird oder ein verändertes Sitzverhalten als Rückzug gedeutet wird. Solche Annahmen führen nicht selten zu Missverständnissen oder strategischen Fehlentscheidungen. Wer glaubt, sein Gegenüber auf Basis eines Bauchgefühls „durchschaut“ zu haben, verliert den Blick für das komplexe Zusammenspiel von Inhalt, Intention und Situation.

Ein Blick, der nicht täuschen darf

Der richtige Umgang mit Körpersprache beginnt mit Aufmerksamkeit, nicht mit Analyse. Es geht nicht darum, ein System von Zeichen zu entschlüsseln, sondern um das Erkennen von Mustern, Veränderungen und Widersprüchen. Wer sein Gegenüber aufmerksam beobachtet – ohne dabei jedes Zucken zu bewerten –, gewinnt ein tieferes Verständnis für das Geschehen im Raum. Besonders in heiklen Verhandlungsmomenten zeigt sich, wie wertvoll diese Haltung sein kann: Statt nervös nach Zeichen zu suchen, lässt sich das eigene Gespür für Dynamiken schärfen. Statt sich auf vermeintliche Lügenindikatoren zu verlassen, kann man auf Kongruenz zwischen Gesagtem und Gezeigtem achten.

Die Körpersprache ist keine geheime Sprache der Wahrheit – sie ist ein sensibler Spiegel innerer und äußerer Zustände. Wer sie im Verhandlungskontext richtig nutzen will, muss lernen, differenziert zu beobachten und vorschnelle Schlüsse zu vermeiden. Professionelle Kommunikation bedeutet, auch nonverbale Signale in den größeren Zusammenhang einzubetten. Anstatt sich auf festgelegte Bedeutungen zu verlassen, ist es klüger, die Körpersprache als Teil eines vielschichtigen Dialogs zu begreifen – als einen Kanal, der Hinweise liefert, aber nie die ganze Geschichte erzählt.


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